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Übersicht:
Quellen:
"GERICHTSLINDEN und Thingplätze in Deutschland" von Anette Lenzing (DIE BLAUEN BÜCHER) Aufsatz des früheren Stadtarchivars Erich Kandler sen. vom 1. Mai 1996 "Die Reichsjustizreform" von Stadtarchivar Erich Kandler jun. - August 1997 - "Politische Geschichte Bayerns - Haus der Bayerischen Geschichte" Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur Band 9: "Krone und Verfassung - König Max I. Joseph und der neue Staat" Katalog der Ausstellung im Völkerkundemuseum in München - 11. Juni - 5. Oktober 1980 Gesetz- und Verordnungs- Blatt für das Königreich Bayern vom 10. April 1879, Nr.19 J. Zierer und Frz. X, Friedl, Häuserbuch der Stadt Deggendorf Auszug aus einem von Landgerichtsdirektor Hermann Wagner (im Alter von 66 Jahren am 23. August 1971 in Deggendorf verstorben) verfassten Aufsatz, Datum unbekannt, aus der beim Landgericht Deggendorf geführten Chronik "Das Amtsgericht Deggendorf - Umbau, Instandsetzung und Erweiterung 1986-1989" Festschrift des Landbauamtes Passau zur Fertigstellung des Erweiterungsbaues und Wiederherstellung des Altbaues
In frühen
Gesellschaftsordnungen waren Gerichte als Recht sprechende Instanzen des
Gemeinwesens nicht bekannt. Streitsachen und Rechtsbrüche wurden, wie
z. B. bei den frühen Germanen, auf dem Wege privater
Auseinandersetzungen zwischen den Sippen ausgetragen. In besser
organisierten Gesellschaftssystemen entwickelte sich allmählich eine
öffentliche Gewalt, die auch zu einer gerichtlichen Autorität führte. So
kennt man schon bei Naturvölkern Krieger- und Ältestenräte, die
Entscheidungsbefugnis in Streitsachen hatten. Bei den späteren Germanen
konnte man vor der Volksversammlung (Thing) Klage erheben und
Gerichtsverfahren durchführen. In fränkischer Zeit unterschied man das
echte oder ungebotene Thing, das unter Vorsitz des Stammes- oder
Sippenoberhauptes unter freiem Himmel, zu feststehenden Zeiten, zumeist
bei Voll- oder Neumond, stattfand, und das gebotene Thing, bei dem
lediglich Schöffen unter dem Vorsitz des Schultheißen
(Gemeindevorstehers) berieten. Die Zusammenkunft der Vertreter mehrerer
Sippen wurde als Gau-Thing bezeichnet. Die Gerichtsversammlung des Thing
(Dings) wurde an ehrwürdigen öffentlichen Orten abgehalten, bei großen
Steinen, unter mächtigen Bäumen, den Gerichtslinden, an Gewässern. Wer
sich dem Thing (Ding) entzog, also flüchtig war, konnte "dingfest"
gemacht werden, das heißt festgenommen werden. Oberster weltlicher Richter war der König. Als seine Aufgabe, aber auch Aufgabe aller Christen, wurde die Herstellung einer Friedensordnung auf Erden angesehen. Die Gottesfrieden wichen den Landfrieden: 1093 wurde der erste Landfrieden in Ulm verkündet, 1103 der Mainzer Reichslandfrieden. Die Schwächen der Gerichtsorganisation und die Mängel der Verfahrensregeln führten aber lange Zeit zu Formen einer "Privatjustiz". Die Reaktion auf eine Missetat, selbst auf Totschlag, war - neben der von der Kirche verhängten Buße - Rache des Verletzten oder seiner Angehörigen, die sich gegen den Täter, anfangs auch gegen alle seine Angehörigen, richtete, aber keine öffentliche Strafe. Da dies in letzter Konsequenz Sippenkrieg bedeutete, gab es seit jeher Bemühungen, solche länger dauernde Feindschaften zu verhindern und durch Sühneverträge wieder Frieden und Freundschaft herzustellen. Der Täter verpflichtete sich zur Zahlung eines Geldbetrages an die verletzte Seite, im Falle der Tötung das so genannte "Wergeld".
Die Halsgerichtsordnungen,
Landesordnungen und Polizeiordnungen, die ab dem 15. Jahrhundert in immer
stärkeren Maße die mit den Landfrieden begonnene Entwicklung des öffentlichen
peinlichen Strafrechtes fortsetzten und vollendeten - wobei anzumerken ist, dass
die Unterscheidung von Zivil- und Strafrechtssachen erst spät gemacht wurde, in
frühen Zeiten beide Aufgaben in einem Gericht vereint waren - waren als
Erfüllung eines göttlichen Auftrages gedacht und wurden "Gott zu Lob" erlassen. Im langen Lauf der Jahre geschah es aber immer häufiger, dass diese sich nicht mehr nur als Lehensempfänger sondern mehr und mehr als Besitzer und Eigentümer betrachteten. Viele Fürsten betrachteten die Gerichtsgewalt als eigenständiges, zumindest erbliches Recht. Es war diese Auffassung, die auch die Entwicklung zur Territorialherrschaft einleitete.
Die Landesherren verliehen den Gerichtsbann nach eigenem Recht und wurden bald auch als die eigentlichen Träger der Gerichtsbarkeit anerkannt. Es wurde in ihrem Namen Recht gesprochen. Vor allem zogen die Landesherren die Blutgerichtsbarkeit, die sich im Verlaufe der Landfrieden in immer stärkeren Maße herausbildeten, als "hohe Gerichtsbarkeit" an sich und ließen sie durch Landgerichte - im Süden "Zentgerichte" ausüben. Sie verliehen diese "Halsgerichtsbarkeit" oft auch an Städte, teilweise sogar an Gutsherren. Im Bereich der "Niedergerichtsbarkeit", bei deren Ausübung keine Todesurteile verhängt werden durften, gab es weiterhin eine Reihe von kleinen, mehr oder minder selbständigen Gerichten, wie etwa "Hofgerichte" des Grundherren, "Dorfgerichte" der Dorfbewohner mit einem "Bauernmeister" als Richter, kleine "Stadtgerichte" u.a.
Besondere Erwähnung verdienen zwei
Gerichte:
Die Veränderungen wirkten sich auch
auf den Gerichtsort aus. Bereits Karl der Große erlaubte wegen der
Belastungen, die die Versammlungen im Freien mit sich brachten, bei schlechtem
Wetter die Vorhallen von Kirchen oder andere gedeckte Hallen aufzusuchen. Im
Jahre 819 wurde von Ludwig dem Frommen der Bau eines eigenen Gerichtshauses
vorgeschrieben, in dem bei Notfall verhandelt werden durfte. Allerdings waren
die Gerichtssitzungen im Freien noch lange die Übung. Vor allem Dorfgerichte
verhandelten in althergebrachter Form unter der Linde. Die Gerichtslinde
sollte nämlich nicht nur Schatten spenden, sondern auch mit ihren leise
rauschenden Blättern die Stimme der Gottheit vermitteln. Alten Berichten
zufolge, wusste die Linde sogar einen Fehlspruch, der unter ihr gefällt wurde,
zu rächen, ebenso wie die Untat selber. In den Städten
schritt die Entwicklung rasch voran. Dort errichtete man an Stelle einer
künstlich ausgebauten Gerichtslinde, sogleich ein künstliches Blätterdach,
die Gerichtslaube. Diese war nach vielen Seite offen, oder zumindest leicht zu
öffnen, was für die Öffentlichkeit wichtig war. Die Gerichtslaube stand oft frei
mitten auf dem Marktplatz oder vor dem Roland, der manchmal der Laube seinen
Namen gab. In der Regel aber wurde die Gerichtslaube an das städtische Rathaus
angebaut. Später wurde eine Laube im Erdgeschoß für Marktstreitigkeiten und für
die wichtigeren "Dinge" ein Gerichtszimmer, ein Gerichtssaal im ersten Stock
eingerichtet. Gerichtsort war somit die Ratsstube geworden. "1180 erhielt Otto von Wittelsbach die bayerische Herzogwürde. Mit ihm bekam das Haus Wittelsbach bis 1918 entscheidenden Einfluss in Bayern "(Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur Band 9: "Politische Geschichte Bayerns - Haus der Bayerischen Geschichte" Seite 17), damit auch auf die Gerichtsbarkeit. "Die Wittelsbacher konnten sich zwar nicht mit den großen Geschlechtern des Landes messen, wie zum Beispiel den Grafen von Andechs und Bogen, seit dem 13. Jahrhundert aber verstanden sie es, durch Heiraten, Kauf, Tausch, Erbschaften und den - den oftmals gewaltsamen - Erwerb von Vogteien und Grundherrschaften, ihren Privatbesitz erheblich zu vergrößern." (a.a.O.) "Um der oben geschilderten Entwicklung entgegen zu treten, wurden die gewonnen Besitz- und Herrschaftsrechte nicht mehr als Lehen ausgegeben, sondern mit Hilfe meist herzoglicher Ministerialen und durch ein neu geschaffenes Verwaltungssystem gesichert. Otto II. begann mit dem Aufbau einer einheitlichen und für das ganze Land verbindlichen Gesetzgebung. Es entstanden erst Ämter, dann Pflegegerichte, in denen der Herzog die Hochgerichtsbarkeit, der weltliche und geistliche Adel die niedere Gerichtsbarkeit besaßen." (a.a.O. Seite 17) Unter Hoch - oder Malefizgerichtsbarkeit verstand man in erster Linie die Blutgerichtsbarkeit. "Über Mord, Totschlag und Notzuchtverbrechen urteilte der Herzog bzw. sein "RICHTER", während alle anderen Vergehen in den Hofmarken des Adels verhandelt wurden." (a.a.O). Die Zahl der todeswürdigen Verbrechen wurde später ausgedehnt. In der Landesordnung von 1474 wurden ein Katalog von vierzehn, in der Landesordnung von 1553 ein solcher von zwanzig Verbrechen aufgestellt. Sie wurden unter dem Namen "Viztumshändel" zusammengefasst, denn das Recht diese zu "wandeln", das heißt die von den "strengen Rechten" für sie vorgesehenen peinlichen Strafen in Geldstrafen umzuwandeln, war dem Viztum, also den Verwaltern geistlichen Besitzes, Statthaltern, Regierungsbeamten, vorbehalten. Die verhängten Geldbußen hießen "Viztumswändel". Die bayerischen Gerichte waren Hochgerichtsbezirke. Weil das ordentliche herzogliche Hochgericht sich Landgericht betitelte, wurden sie auch LANDGERICHTE genannt. Träger der Niedergerichtsbarkeit waren weltliche und geistliche Herrschaften, Hofmarken, Städte, Märkte und Urbarsgerichte (von mhd. Urbar = Grundbuch). Herzog Otto von Niederbayern hatte wegen finanzieller Schwierigkeiten den Vorstehern der geistlichen Stifte und Klöster, den Städten und Märkten die Hofmarksgerichtsbarkeit zum Kauf angeboten. Die streitige Gerichtsbarkeit über "Erbe und Eigen", das heißt über liegende Güter, hatte er dem Landgericht vorbehalten. Die Niedergerichtsbarkeit erstreckte sich auf alle Strafsachen, ausgenommen Viztumshändel sowie auf alle Zivilsachen. Verboten war den Hofmarken auch die Durchführung des Gantprozesses . Mit der Niedergerichtsbarkeit waren indessen noch eine Anzahl anderer Gerechtsamer verbunden, und zwar:
Hofmarksgerichtsbarkeit in beschränkten Bezirken hatten auch die Inhaber gefreiter Edel-sitze oder Siedelhöfe. Die Gerichtsgewalt der Inhaber währte bis zur "Dachtraufe", d.h. nicht über die Hofgebäude hinaus. Über einschichtigen, außerhalb der Hofmarken im Landgerichtsbezirk liegenden Gütern des Hofmarksherren hatte zunächst das Landgericht die Gerichtsbarkeit. "Von entscheidender Bedeutung für die Festigung des wittelsbachischen Territorialstaates war die Beendigung der Rechtsuneinheitlichkeit durch das "Stadt - und Landrecht" des im Jahre 1328 - gegen den Widerstand des Papstes Johannes XXII - zum Kaiser gekrönten Ludwigs des Bayern (der erste Wittelsbacher auf dem Kaiserthron, 1287 - 1347), einer Art Verfassung für alle Bewohner Bayerns. Auf mittlerer Ebene wurden Viztum- und Rentmeisterämter weiter ausgebaut, die man als Vorläufer der heutigen Landkreise bzw. Regierungsbezirke bezeichnen könnte. Aus der Verwaltung durch Ministeriale entstand eine neue organisierte Beamtenschaft. Die Zentralämter des Landes entwickelten sich aus dem engeren Rat um die Herzöge: Hofrat (allg. Verwaltung), Hofkammer (Finanzwesen) und Kanzler (Schriftverkehr) sind Vorläufer der heutigen Behörden, besonders der Ministerien." (a.a.O.) "Einen tiefen Einschnitt in den inneren Aufbau der Gerichte stellte der sechzigste Freibrief Herzog Albrechts V (1550 - 1579) mit seinem Erlass über die Edelmanns-Freiheit dar, der ihm unter Ausnützung seiner Geldverlegenheit auf dem Landtag des Jahres 1557 gegen die Bewilligung der Steuer vom Adel abgetrotzt wurde. Der Erlass gewährte dem ritterbürtigen Adel, der im Besitz der Hofmarken war, die Niedergerichtsbarkeit auf seinem einschichtigen, im Landgerichtsbezirk gelegenen, mit dem Eigentum ihm zugehöriger Güter. Man nannte dieses Recht die EDELMANNS-FREIHEIT. Alle Erbauer einschichtiger Güter des edel-mannsfreien Adels schieden folglich aus der Jurisdiktion (niedergerichtliche Gewalt) der Gericht aus und wurden Untertanen ihrer Grundherren. Damit schieden auch die Güter selbst aus den Haupt- oder Obmannschaften aus. Sie kehrten dahin zurück, wenn Besitzer der Hofmark, zu der sie gehörten, aus einer nicht edelmannsfreien Familie stammten, denn die Edelmannsfreiheit war lediglich ein personelles Recht, während die Hofmarksgerichtsbarkeit real, und damit jedem Hofmarksbesitzer, eigen war. Allgemein kehrten die einschichtigen Güter in die Haupt - oder Obmannschaftsverbände erst 1808 zurück, als die Edelmannsfreiheit aufgehoben wurde (in der im Rahmen des Reformwerkes von Montgelas erschienenen Konstitution, die Freiheits- und Gleichheitsrechte gewährte und den Schutz des Eigentums sicherte". (a.a.O. S. 41) Der Adel nützte das Recht der Edelmannsfreiheit aus, kaufte von Bürgern und Eigenbauern Güter auf und erweiterte dadurch seine Gerichtsbarkeit noch mehr. Kurfürst Max I. schob hier zwar einen Riegel vor, aber sein Enkel Max Emanuel verkaufte zum Zwecke der Finanzierung seiner Türkenkriege sogar den Klöstern die Jurisdiktion (Niedergerichtsbarkeit) auf deren bisher den Landgerichten unmittelbar unterstellten Gütern in großem Umfange, unter dem Vorbehalt des Rückkaufrechtes. Von diesem Recht konnten die nachfolgende Fürsten bei ihrer dauernden Geldverlegenheit wenig Gebrauch machen. Die einschichtigen Jurisdiktionsuntertanen der Klöster blieben zumeist bis zur Säkularisation (1803) den Gerichtsobrigkeiten der Pflegegerichte entzogen. Der Landrichter war meist alleine Träger der Amtsgewalt in seinem Bezirk. Wenn aber zum Schutze des Gerichtssitzes eine Burg vorhanden war, war als Burgwart auch ein Pfleger eingesetzt. Aus diesem Grunde verteilte sich die Gewalt auf zwei Beamte, den Landrichter und den Pfleger. Der Landrichter war von da an auf die rein richterliche Aufgabe beschränkt und versah die des Pflegers nur vertretungsweise. Der Pfleger aber wurde in Anbetracht der Wichtigkeit des militärischen Schutzes im Gerichtsbezirk allmählich der eigentliche Vorsteher auch der Gerichtsobrigkeit und übte in erster Linie Polizeigewalt und Verwaltung aus. In Landgerichten, die keine Burg und damit auch keinen Pfleger an der Spitze hatten, versah diese Aufgabe der Landrichter. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lastete auf den Menschen der damaligen Zeit noch vielfach das Joch der Gesetze des Mittelalters. Der allmächtige Minister Maximilian Joseph Graf Montgelas (1759 - 1838) sprengte die Brücke zum Mittelalter und brachte auf Grund der Verordnung vom 24. März 1802 die Reform der Behördenorganisation. Die bayerischen Land- und Pflegegerichte wurden neu geordnet, wobei bezüglich ihrer Begrenzung nicht mehr auf die geschichtlichen Zusammenhänge geachtet wurde, sondern die Landgerichtsbezirke mehr den tatsächlichen Bedürfnissen der Landbevölkerung angepasst wurden. Mit der Einziehung der Güter der geistlichen Stifte und Klöster (Säkularisation) durch den Staat (1803) wurden auch deren Gerichtsrechte aufgehoben. Das selbe geschah 1808 mit den einschichtigen Grundholden, nach dem die Edelmannsfreiheit durch Gesetz vom 20. April 1808 (die oben erwähnte Konstitution) beseitigt worden war. 1808 wurden die letzten Reste der Leibeigenschaft aufgehoben. Die Niedergerichtsbarkeit und Polizeigewalt der adligen Gutsherren innerhalb der Hofmarken blieb als Patrimonialgerichtsbarkeit bis 1848 bestehen. Erst das Revolutionsjahr hat die mittelalterliche Teilung der öffentlichen Gewalt und damit die "Staaten" im Staat endgültig beseitigt. Erst von da ab gibt es einheitliche Staatsuntertanen. Das Gesetz vom 10. November 1861 brachte endlich die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung und befreite zugleich durch Einführung der Notariate die Gerichte von der Besorgung der Notariatsgeschäfte. Hierzu: DAS JUSTIZWESEN - "Krone und Verfassung - König Max I. Joseph und der neue Staat", Katalog der Ausstellung im Völkerkundemuseum in München 11. Juni - 5. Oktober 1980 Dass die niedere Gerichtsbarkeit und das Zivilrecht, insbesondere das bayerische Strafrecht, der Reform bedurften, dies hat Montgelas schon in seinem Programm von 1796 formuliert. Nicht in allen drei Bereichen konnte er jedoch dann seine Ideen verwirklichen. So wurden während seiner Tätigkeit bis 1817 auf dem Gebiet der guts- und standesherrlichen Rechtssprechung zwar viele Verbesserungen für die Bevölkerung durchgesetzt, endgültig konnte die Patrimonialgerichtsbarkeit ("wo das recht der gerichtsbarkeit mit dem besitze einer gewissen art von gütern überhaupt verbunden, oder gewissen gütern besonders beygelegt ist, heißt dasselbe die patrimonialgerichtsbarkeit - Datierung: 1794 Fundstelle: PreußALR. II 17 § 23 - DRW - Deutsches Rechtswörterbuch) jedoch erst im Jahre 1848 aufgehoben werden. Auch die Arbeiten für eine Bürgerliches- und Handelsgesetzbuch gediehen zwar weit, kamen dann aber nicht zur Verkündung, so dass erst das BGB am 1. Januar 1900 die Rechtssetzungen der einzelnen, ehemals reichs-unmittelbaren Territorien ablöste. Die bedeutendste Leistung auf dem Gebiet des Justizwesens war die Reform des Strafrechts, die Anselm von Feuerbach, der Begründer der neueren Strafrechtsdogmatik und Kriminalpsychologie, vorbereitete. Obwohl sich Feuerbach nicht mit allen seinen Vorstellungen durchsetzen konnte, sollte das aufgeklärte Strafgesetzbuch von 1813 weit über die Landesgrenzen Bayerns hinaus bahnbrechend werden. Es löste den Kreyttmayrschen Strafkodex ab und verhalf einem vergleichsweise modernen Strafrecht zum Durchbruch. In der Verfassung von 1818 wurde auch die Gleichheit vor dem Gesetz bestätigt, zudem die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter garantiert.
Großes Ansehen erlangte die Juristische Fakultät der nach
Landshut verlegten Universität. Sie erlebte einen Aufschwung mit bedeutenden
Juristen wie Anselm von Feuerbach, mit Friedrich Karl von Savigny, dem Haupt der
Historischen Rechtsschule, und mit Nikolaus Thaddäus von Gönner, der das
Zivilrechtsgesetz entwickelt hatte, das stark vom Code Civil beeinflusst war,
aber dann aufgrund der Absetzung von Napoleon nicht Gesetzeskraft erlangen
sollte. (Hans Härtl)
Die Gerichtsbarkeit in Deggendorf
Der Umfang des alten Landgerichts Deggendorf war nicht groß.
Es wurde begrenzt von der Donau im Süden. Im Norden zog sich die Grenze über den
Schalterbach, Mettenbuch hinauf auf die Höhen des Vorwaldes über Rindberg, Faßlehen, über den Gipfel des Vogelsang und Weimannsried nach Grub, Boxruck,
Herrmansried zum Hausstein nach Dietmannsberg und Seebach. Hier fiel die
Landkreisgrenze mit der alten Diözesan- und der alten Gaugrenze zusammen. Das
Landgericht Deggendorf lag im östlichen Donaugau, während Hengersberg zum
Schweinahgau gehörte und ein kleiner Teil, südlich der Donau gelegen, zum
Künzengau.
Weil in unserem Raum die räumliche Ausdehnung der Gerichte
und Pflegen sehr ungleich war, wurden im Jahre 1803 die neuen Landgerichte,
welche ebenfalls zugleich Justiz -, Polizei- und Administrativstellen in erster
Instanz bildeten, formiert, so im heutigen Landgerichtsbezirk Deggendorf die
Landgerichte
Bei der Einteilung des
Königreichs in fünfzehn, nach Flüssen benannten Kreisen am 21. Juni
1808 wurden die Landgerichte Deggendorf, Regen und Schönberg dem
Unterdonaukreis zugelegt, das Landgericht Viechtach dem Regenkreis,
am 23. September 1810 bei der Zusammenlegung zu neun Kreisen aber
ebenfalls dem Unterdonaukreis. Errichtung von Bezirksgerichten Die mit der Errichtung der Appellationsgerichte begonnene Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung wurde 1857 weitergeführt durch die Errichtung der Bezirksgerichte - insgesamt 34 , von denen Niederbayern vier bekam:
Deggendorf - Landshut - Passau
- Straubing
Neueinteilung der
Gerichtsbezirke in der bis heute gültigen Form
Nach IV der Beilage zu
dieser "Allerhöchsten Verordnung vom 2. April 1879" umfasste der
Bezirk des neu errichten Landgerichtes Deggendorf die Bezirke der
nachstehenden, ebenfalls neu errichteten Amtsgerichte. Zur
Zuständigkeit des Landgerichts Deggendorf gehörten also die
Amtsgerichte Arnstorf, Deggendorf, Grafenau, Hengersberg,
Osterhofen, Regen und Viechtach. Deren "Bestandteile", also
Zuständigkeiten, erstreckten sich auf den Umfang der bisherigen
Landgerichtsbezirke Arnstorf, Deggendorf, Grafenau, Hengersberg,
Osterhofen, Regen und Viechtach Einschneidende Veränderungen im Zuständigkeitsbereich ergaben sich im Zuge der Gebietsrechtsreform. Durch Art. 1 des Gesetz über die Aufhebung von Amtsgerichten und die Änderung von Amtsgerichtsbezirken vom 24. Juni 1969 (GVBl. 1969, S. 148) wurde zum Beispiel das Amtsgericht Hengersberg mit Wirkung vom 1. Januar 1970 aufgehoben und dem Amtsgericht Deggendorf zugelegt.
Oben drei letzte Bilder vom Amtsgericht Hengersberg. Von links: Der
letzte Vorstand des Amtsgerichtes, Oberamtsrichter Ernst Fick (* 6.11.1910
- +16. 02 1996), das
Amtsgerichtsgebäude, heute Sitz der Gemeinde und der letzte
Geschäftsleiter Amtmann Hans Stangl (*29. 08.1909 - +05. 03.1981). Zur Baugeschichte der Gerichte in Deggendorf Errichtung von Bezirksgerichten Wie weiter oben schon ausgeführt, wurde durch den allmächtigen Minister Maximilian Joseph Graf Montgelas (1759 - 1838) die Brücke zum Mittelalter abgebrochen und durch der Verordnung vom 24. März 1802 die Reform der Behördenorganisation ins Rollen gebracht. Durch das Organische Edikt über die Gerichtsverfassung vom 24. Juli 1808, Teil III wurden die Hofgerichte, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit das höchste landesherrliche Gericht, durch die neu errichteten Appellationsgerichte in München, Straubing (zuständig für Deggendorf), Amberg, Neuburg, Würzburg und eines in Schwaben, ersetzt. Zum 1. Januar 1809 nahmen sie die Arbeit auf. Sie waren in Zivilgerichtsverfahren zweite und in peinlichen Gerichtsverfahren erste Instanz. Aber erst das Revolutionsjahr 1848 hat die mittelalterliche Teilung der öffentlichen Gewalt und damit die "Staaten" im Staat endgültig beseitigt. Erst von da ab gibt es einheitliche Staatsuntertanen. Das Gesetz vom 10. November 1861 brachte endlich die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung und befreite zugleich durch Einführung der Notariate die Gerichte von der Besorgung der Notariatsgeschäfte. (Hierzu: DAS JUSTIZWESEN - "Krone und Verfassung - König Max I. Joseph und der neue Staat", Katalog der Ausstellung im Völkerkundemuseum in München 11. Juni - 5. Oktober 1980) Die damit 1802 begonnene Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung wurde 1857 weitergeführt durch die Errichtung der Bezirksgerichte -insgesamt 34 , von denen Niederbayern vier bekam, darunter auch Deggendorf. Am 16. März 1857 hatte man mit dem Bau eines neuen Bezirksgerichtsgebäudes zu Deggendorf, in der heutigen Bräugasse Nr. 13 begonnen. Es wurde zwischen 1861 und 1863 errichtet. Der hierzu erforderliche Baugrund kostete 5.500 Gulden, der Bau selbst 36.000 Gulden. Als Gefängnis fungierte die Fronfeste (= Gefängnis¸ galt als ein Ort zur Verwahrung von Menschen, die der Malefiz = Verbrechen, Missetat, angeklagt wurden. Dort wurden auch Folterungen vorgenommen.) die von der Bräugasse aus entlang der östlichen Zwingergasse Richtung Pfleggasse stand. Bis zum 24. Juni 1925 diente es als Landgerichtsgebäude, bis durch Grundbucheintragung vom 28. Mai 1925 das 1908 in der Amanstraße errichtete Bezirkskommando, in welchem nach dem ersten Weltkrieg das Versorgungsamt untergebracht war, in den Besitz des bayerischen Staates überging. Seit diesem Zeitpunkt dient dieses Gebäude als
Bild: Hans Feichtinger - 9. Juni 2003
Das Amtsgericht Deggendorf war weiterhin mit zugeordnetem
Gefängnis weiterhin in der Bräugasse untergebracht.
Wegen der Aufgabentrennung, wohl auch wegen Platzmangels und
unangemessener Unterbringung (man denke an die andernorts
entstandenen Justizpaläste), wurde dem Amtsgericht an der Amanstraße
ein Neubau zugestanden. Dieser Bau wurde vom damals königlichen Landbauamt
Passau 1899 - 1901 errichtet. Er war mit 115 000,- M veranschlagt und konnte mit
der Einsparung von 466 Mark und 73 Pfennigen abgerechnet werden.
Das Amtsgericht und
die Amanstraße 1907
Das Amtsgericht in
den Fünfziger Jahren.
Im Schriftverkehr finden sich keine
Anerkennungen über den wohl gelungenen Bau,"... sondern Klagen der
Bediensteten des Amtsgerichts, z.B. über fußkalte Räume, dass es
nicht einmal mit Fuß-Sack und Wintermantel dort auszuhalten war".
Bald nach dem Bezug wurde schon Raummangel angemeldet. Endgültig zu
klein war das Gerichtsgebäude geworden als 1970 das Amtsgericht
Hengersberg mit 10 Beamten und Angestellten und einem umfangreichen
Grundbuchamt angegliedert wurde. Ein förmlicher Bauantrag für einen
Neubau - Erweiterungsbau wurde 1978 gestellt. Baubeginn war Mitte
Juli 1986. Der Arbeiten, die zügig vorangingen, wurden durch ein
schreckliches Ereignis jäh unterbrochen. Als ich um 7.00 Uhr früh
des 27. April 1987 in den Parkplatz des Landgerichts einfuhr. war
nichts war mehr so wie am Tag vorher. Irgendetwas hatte sich
verändert. Voller Schrecken bemerkte ich dann plötzlich den Grund:
Nackte, rußige, verbrannte Balken starrten vom Dach des
Amtsgerichtes in den Morgenhimmel. Bilder vom Brand - Fotograf unbekannt
Das Amtsgericht war
während der Nacht Opfer einer Brandstiftung geworden. Der Brand
selbst war bereits gelöscht. Im Halbdunkel sicherten Feuerwehrleute
die Brandstelle. Das Betreten des Gebäudes war gespenstisch. Überall
lagen Wasserschläuche umher. Die Böden waren überschwemmt. Von den
Decken tropfte das Löschwasser. Die Täter der Brandstiftung
konnten bis heute nicht ermittelt werden.
Noch am gleichen Tag wurden die erforderlichen Notmaßnahmen veranlasst. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Deggendorf Dieter Görlitz stellte spontan und "unbürokratisch" als Ausweichquartier das leer stehende Krankenhausgebäude zur Verfügung. Mit bemerkenswertem Einsatz aller Bediensteten wurde unter dem damaligen Direktor Karl Dickert der Umzug vollzogen. Schon am zweiten Tag nach dem Brand konnte wieder zu "Gericht gesessen" werden. Die Baumaßnahmen am Neubau und die Wiederherstellung des Altbaues gingen zügig voran. Mit der Gestaltung des Eingansbereiches wurde im Rahmen des Programms "Kunst am Bau" der renommierte niederbayerische Künstler Gerhard Kadletz beauftragt. Nachdem dieser sich über Gerichtsorte, ein wenig auch über deren geschichtliche Hintergründe, dabei auch die Gerichtsversammlung des Thing (Dings) -- siehe Ausführungen zu Beginn- vertraut gemach hatte, hatte er eine überraschende Idee. Er löste gedanklich von dem gestockten Betonring, mit dem die symbolisch für den Gerichtsort vorne stehende "Gerichts"- Linde ummauert ist, ein größeres Segment, und formte aus einheimischen Granit daraus im Zentrum des Platzes, angedeutet durch zwei in einem Kegel sich schneidende Messingstreifen in einem Kegel, eine schöne Skulptur, durch dir nunmehr der Weg hin zum renovierten Altbau und und den Neubau des Amtsgerichts Deggendorf führt.
Skulptur Gerhard Kadletz
Der Erweiterungsbau konnte nach 30-monatiger Bauzeit im November 1988 eröffnet werden.
"JUSTITIA SPRICH WAHR"
In der Wartehalle vor den Strafsitzungssälen (Fotos: Hans Feichtinger)
Ein paar Gedanken hierzu: Diese drei wunderschönen Glastafeln sind nach Art der Ausführung stilistisch dem Jugendstil - Sezession zuzuordnen. Es kann angenommen werden, dass ursprünglich diese Tafeln für Fenster, wohl in erster Linie im Treppenhaus des Bezirksgerichtsgebäudes in der „Bräugasse“, dienten. Der Zeitrahmen – bis Juni 1925 – spricht dafür.
Nach dem Neubau des
Amtsgerichtsgebäudes in der Amanstraße hatte man in dem neu errichteten
Gebäude – leider – wohl keine Verwendung gefnden! Man
„verstaute“ die Fenster auf dem Speicher des früheren
Bezirkgerichtsgebäude, später das Gebäude des Straßenbauamtes.
Im Rahmen der Sanierung des durch den Brand am 27. April 1987
beschädigten Amtsgerichts fanden Beschäftigte des
Landbauamtes Passau zufällig diese Fenster auf dem Speicher. Sie
ließen sie von einem, so wurde mir von Bediensteten des
Straßenbauamtes berichtete, in Jugendstilsachen erfahrenen
Glasermeister in Pankofen restaurieren, mit Rahmen versehen die von
hinten beleuchtbar machen.
Der - nach den alten Plänen -
wunderbar wieder
hergestellte Altbau wurde im Februar 1989 bezogen.
Gesamtansicht des wiederhergestellten Amtsgerichtsgebäudes:
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